„Eltern mit Kindern & Jugendlichen mit Hypophysen­insuffizienz“

Selbsthilfegruppe

Interview mit Carolin Posth, die zusammen mit Dorothe Schwung seit 2004 die Selbsthilfegruppe „Eltern mit Kindern/Jugendlichen mit Hypophyseninsuffizienz“ leitet.

Weitere Informationen und die Kontaktdaten der Selbsthilfegruppe finden Sie auf www.kinder-hypophysengruppe.de

Eigentlich direkt nach der Diagnose meiner Tochter hatte ich das Bedürfnis, mich mit anderen Eltern auszutauschen. Der Begriff ‚Selbsthilfe‘ stand damals gar nicht im Raum, es ging mir mehr um einen Erfahrungsaustausch und das Gefühl, nicht alleine zu sein. Im Internet habe ich damals leider nichts Passendes gefunden. Der Arzt, bei dem wir damals in Behandlung waren, hat dann den Kontakt zu einer anderen betroffenen Familie hergestellt. Über eine Anfrage in einem Internet-Forum habe ich noch eine dritte betroffene Familie gefunden. Und dann sind nach und nach weitere Familien zu uns gestoßen. Mittlerweile sind wir mehr als 100 Familien aus ganz Deutschland.

Am Anfang haben wir uns einfach mit den Familien zum Kaffeetrinken bei einem von uns getroffen. Als nach und nach mehr Familien dazugekommen sind, haben wir uns immer mehr strukturiert. Später haben wir unsere Gruppe dann offiziell registrieren lassen. Durch den Status als anerkannte Selbsthilfegruppe ist es nämlich möglich z.B. finanzielle Förderung bei den Krankenkassen zu beantragen.

Ich habe mich für die Beantragung damals an die Selbsthilfekontaktstelle meiner Stadt gewandt. Bei den Selbsthilfekontaktstellen (NAKOS – ROTE ADRESSEN) erhält man eine kostenlose Beratung und, falls nötig, Informationen oder Hilfen zum Aufbau einer Selbsthilfegruppe.

Je mehr Familien dazukamen, desto mehr mussten wir uns auch mit so Dingen wie Datenschutzverordnung und Webseite beschäftigen. Die Eltern haben sich bei verschiedenen Themen wie Flyer-Erstellung und Organisation von Onlinemeetings eingebracht und uns als Leitungsteam unterstützt. Trotzdem ist es viel Arbeit und vor allem Zeit, die über die Jahre in das Projekt gesteckt wurde.

Selbsthilfegruppen haben leider immer noch ein angestaubtes Image. Das Klischee mit dem Stuhlkreis stimmt allerdings (lacht).

Vor Corona haben wir uns ungefähr zwei Mal im Jahr getroffen, dann immer für zwei Tage, da unsere Familien aus ganz Deutschland kommen. Wir haben meist ein Hauptthema (z.B. die Versorgung im Notfall), der persönliche Austausch steht aber im Vordergrund – und natürlich ist auch in den Pausen und abends noch genug Raum, sich mit den anderen Familien zu unterhalten. Für die Kinder organisieren wir immer ein eigenes kleines Programm. Die Jugendlichen setzen sich alleine zusammen oder sind teilweise bei unseren Gruppengesprächen mit dabei.

Der Großteil des Austausches findet aber tagtäglich über unsere private Facebook-Gruppe und unsere Notfall-WhatsApp-Gruppe statt. Da vergeht eigentlich kein Tag, an dem nicht ein neuer Beitrag hinzukommt.

Über die 17 Jahre, die unsere Selbsthilfegruppe nun schon besteht, haben wir sehr umfangreiches Informationsmaterial zusammenstellt, das wir unseren Neumitgliedern zur Verfügung stellen. Wir mussten früher bei Null anfangen, unsere neuen Familien bekommen vom ersten Tag an alle relevanten Informationen.

Ein großer Vorteil, und das berichten mir auch viele Eltern unserer Gruppe, ist, dass man jederzeit einen Ansprechpartner hat. Als Elternteil hat man nicht immer die Möglichkeit, den behandelnden Arzt abends oder am Wochenende zu erreichen und manchmal hat man vielleicht auch nur eine kleine Nachfrage, die man gar nicht an einen Mediziner richten muss. Über unsere Facebook- und WhatsApp-Gruppe können die Eltern zu jeder Tages- und Nachtzeit ihre Fragen stellen und kurzfristig Antwort bekommen. Das gibt natürlich Sicherheit, wenn die erfahrenen Eltern dann sagen „Alles gut, kennen wir auch, du brauchst dir keine Sorgen zu machen“. Andererseits konnten wir aber auch schon in brenzligen Situationen helfen, wenn die Antwort eben eher „Fahrt lieber doch heute Abend noch in die Klinik“ war. Für die Eltern ist einfach schön zu wissen, dass sie nicht alleine sind, sondern jederzeit Ansprechpartner haben, die wissen, wie sie sich fühlen.

Gleiches gilt auch für die Kinder. Wenn ein kleines Kind bei einem unserer Treffen auf einmal aufgeregt zu seinen Eltern läuft und berichtet, dass es gerade gesehen hat, dass ein anderes Kind ja auch Medikamente nehmen muss und sogar die gleichen Kapseln… das ist eine sehr positive Erfahrung. Unsere Großen berichten auch selber davon, wie toll und hilfreich es ist, sich untereinander auszutauschen und die Krankheit nicht dauernd erklären zu müssen.

Viele der Eltern, die in letzter Zeit zu uns gekommen sind, berichten, dass ihnen unsere Gruppe direkt von dem Behandlungsteam vorgeschlagen wurde. Mein Rat ist also: Fragen Sie bei Ihren Ärzten oder Therapeuten nach, ob diese eine Selbsthilfegruppe zu der Diagnose Ihres Kindes kennen und empfehlen können.

Ansonsten hilft eine Suche über eine Suchmaschine im Internet. Weitere Adressen, an denen man gezielt Selbsthilfegruppen, auch in der eigenen Region, suchen kann sind die NAKOS, die BAG Selbsthilfe, das Kindernetzwerk und bei seltenen Erkrankungen auch der SE-Atlas und die ACHSE.

Zum Weiterlesen

Diese Interviews könnten Sie auch interessieren

„Beginnen Sie früh mit der Vorbereitung”

Interview mit Privatdozentin Dr. Gundula Ernst, die Diplom-Psychologin ist und an der Medizinischen Hochschule Hannover arbeitet. Sie ist Vorsitzende der Gesellschaft für Transitionsmedizin.

„Durch Arbeitsplatz­gestaltung und finanzielle Förderung können wir Vieles ermöglichen”

Interview mit Jürgen Potthoff, Teamleiter des Bereichs Berufliche Rehabilitation und Teilhabe der Agentur für Arbeit Hannover.