„Fast alles ist möglich”

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Interview mit Christiane Stolz, die in der Studienberatung der Leibniz-Universität Hannover tätig ist. Dort ist sie die Beauftragte für Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eine solche Studienberatung gibt es an jeder Universität.

In meinen Beratungsgesprächen mit den Studierenden steht meist der Nachteilsausgleich im Mittelpunkt. Er macht erfolgreiches Studieren oft erst möglich. Denn manchmal ist ein Studiengang so aufgebaut, dass Studierende mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestimmte Studienleistungen nicht in dem vorgesehenen Rahmen erbringen können, z.B. wenn eine Exkursion eine Pflichtveranstaltung ist. Durch einen Nachteilsausgleich können die Umstände individuell angepasst werden. Ein Nachteilsausgleich kann sich aber auch auf einzelne Prüfungen beziehen oder die Studienorganisation insgesamt.

Ich zeige den Studierenden auf, welche Möglichkeiten es gibt, welche Herausforderungen es geben könnte, aber auch welche Umstände sich möglicherweise nicht ändern lassen. Zusammengefasst geht es immer darum, die gleichberechtigte Teilhabe am Studium zu ermöglichen.

Am ehesten kommt es in den studienvorbereitenden Gesprächen vor, dass Eltern dabei sind. Die Eltern sind viele Jahre komplett verantwortlich für ihr Kind gewesen und sind verständlicherweise interessiert, wie ihr Kind alleine an der Universität zurechtkommen kann. In einigen Fällen ist es allen Beteiligten auch klar, dass manche Aufgaben nicht selbstständig erledigt werden können. Auch hier finden sich meist Lösungen. So oder so ist es aber eine Entlastung für die Eltern. Viele Eltern waren im Nachhinein richtig erleichtert, wenn sie Organisatorisches abgeben konnten.

Bei der Bewerbung um einen Studienplatz ist in besonderen Fällen ein Härtefallantrag möglich. Hierfür muss nachgewiesen werden, dass ein anderer Studienort oder ein späterer Beginn des Studiums eine nicht vertretbare Härte mit sich bringt. Das kann z.B. bei einer sich stetig verschlimmernden Krankheit der Fall sein.

Viele Abiturienten und Abiturientinnen kommen schon vor dem Studienbeginn zu mir. Dann können vorab Unsicherheiten und mögliche Schwierigkeiten besprochen werden. Ich weise in diesen Gesprächen regelmäßig darauf hin, dass ein Studium viel flexibler ist als die Schule. In der Schule muss der Stundenplan eingehalten werden. In einem Studium besteht fast immer die Möglichkeit, zu sagen: „Ich mache jetzt nur die Hälfte der Veranstaltungen“. Natürlich verlängert sich dadurch die Studiendauer, aber man hat die Flexibilität.

In der Studienorganisation, bei einzelnen Studienleistungen oder Prüfungen sind Nachteilsausgleiche möglich. Hier gibt es ganz unterschiedliche Lösungen. Sehr oft geht es um eine Zeitverlängerung, aber auch das Schreiben in separaten Räumen kann eine Möglichkeit sein, z.B. für Studierende, die empfindlich auf Reize reagieren. Auch die Umwandlung der Prüfungsform, z.B. von einer mündlichen Prüfung in eine Klausur, kann möglich sein.

Organisatorische Herausforderungen wie die Gestaltung von Prüfungen lassen sich verhältnismäßig einfach klären. Schwierig wird es, wenn man gebäudetechnisch eine Lösung finden muss. Es kann z.B. sein, dass zwar ein Fahrstuhl vorhanden ist, aber der zu schmal für einen E-Rollstuhl ist.

Viele Studierende tun sich auch schwer damit, die Ausgleiche und Möglichkeiten anzunehmen. Sie wollen keine Extras bekommen, sondern wie alle anderen studieren. Dabei ist es keine Extrawurst, es werden nur die Bedingungen angeglichen. Es soll niemand benachteiligt werden.

Übrigens: In der Schule gibt es für viele Erkrankungen keinen Nachteilsausgleich. An der Universität schon! Deswegen schadet eine diesbezügliche Beratung nicht, auch wenn man in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Mit einem Studium ist meist eine anschließende Tätigkeit assoziiert, z.B. dass man als Biologe oder Biologin viel körperlich in der Natur arbeiten muss. Diese Assoziationen sind oft irreführend. Deswegen sollten Studienwünsche nicht sofort ausgeschlossen werden. Bleiben Sie offen in Ihren Vorstellungen, es gibt fast nichts, was nicht möglich ist!

Vereinbaren Sie gemeinsam ein Beratungsgespräch an den Universitäten, an denen Ihr Kind sich bewerben möchte. Nach der Beratung, wenn Sie wissen, welche Herausforderungen, aber auch welche Möglichkeiten es an der jeweiligen Universität gibt, kann Ihr Kind – alleine oder mit Ihnen gemeinsam – eine Entscheidung treffen.

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