„Beginnen Sie früh mit der Vorbereitung”

Arztwechsel

Interview mit Privatdozentin Dr. Gundula Ernst, die Diplom-Psychologin ist und an der Medizinischen Hochschule Hannover arbeitet. Sie ist Vorsitzende der Gesellschaft für Transitionsmedizin.

Die meisten Jugendlichen wechseln mit 16 bis 18 Jahren in die Erwachsenenmedizin. Für den genauen Zeitpunkt sollten vor allem die Bereitschaft und die Fähigkeiten der Jugendlichen ausschlaggebend sein. Das heißt:

  • Fühlen sie sich noch wohl in der Kinderarztpraxis?
  • Trauen sie sich, in der Sprechstunde Fragen zu stellen?
  • Können sie sich weitgehend selbstständig um die Erkrankung kümmern?

Auch äußere Einflüsse können eine Rolle spielen, z.B. ein Umzug oder der Beginn der Ausbildung.

Manchmal sprechen berechtigte Gründe für einen längeren Verbleib in der Pädiatrie. Besprechen Sie in diesem Fall die Möglichkeiten mit Ihrem Kinder- und Jugendarzt. Er bzw. sie kann es allerdings nicht alleine entscheiden, sondern muss es sich bewilligen lassen.

Die medizinische Behandlung in der Erwachsenenmedizin unterscheidet sich nicht im Vergleich zur Kindermedizin. D.h. an der Therapie wird sich vermutlich nichts ändern.

Aber die Erwartungen, die an Patienten gestellt werden, unterscheiden sich. Von Erwachsenen wird Selbständigkeit gefordert: sie müssen an ihre Termine denken; auf Veränderungen ihrer Gesundheit achten; selbst sagen, wenn es Probleme gibt oder sie etwas nicht verstehen. Dies fällt jungen Patienten schwer, insbesondere wenn die Eltern diese Aufgaben bisher übernommen haben.

Zudem haben Kinder- und Jugendärzte häufig den gesamten Patienten im Blick. Sie fragen auch, ob familiär, schulisch und sozial alles in Ordnung ist. Die Gespräche in der Erwachsenenmedizin konzentrieren sich auf die Krankheit und ihre Behandlung. Einige junge Patienten erleben das Verhältnis daher als weniger offen und persönlich.

Am besten fangen Eltern schon früh damit an, die Selbständigkeit ihres Kindes zu fördern. Dafür sollten sie ihrem Kind schrittweise Aufgaben übertragen (z.B. Durchführen der Therapie, Besorgen von Medikamenten, Vereinbaren von Terminen). Tipps dazu finden Sie unter Verantwortung abgeben – aber wie?!

Im Verlauf der Pubertät sollten Jugendlichen außerdem die Chance haben, alleine mit dem Behandlungsteam zu sprechen. Manches bespricht sich ohne Eltern einfach besser. Zudem werden die Jugendlichen dadurch automatisch mehr in die Therapieplanung einbezogen. Das eigenständige Führen von Arztgesprächen wird geübt.

Je kompetenter die jungen Menschen im Umgang mit ihrer Krankheit sind, desto leichter fällt ihnen der Wechsel.

Die Anzahl der Fachärzte hängt stark von der Wohnregion ab. Im ländlichen Raum gibt es meist wenig Alternativen. In der Stadt sieht das anders aus. Hier sollten sich Jugendliche vorab überlegen, was ihnen bei einem Arzt wichtig ist (z. B. Verkehrsanbindung, Praxisausstattung).

Der bisherige Arzt hilft bestimmt gerne bei der Auswahl. In der Regel kann er Empfehlungen geben – ebenso wie Familienmitglieder, Bekannte oder Selbsthilfevereinigungen.

Natürlich findet man auch im Internet Informationen. Bei Arztbewertungsportalen sollte man allerdings vorsichtig sein. Dort sind vor allem diejenigen aktiv, die sehr zufrieden oder sehr unzufrieden mit dem Arztbesuch waren. Nutzen Sie lieber offizielle Seiten, z. B. von Krankenkassen, Fachgesellschaften oder Kassenärztlicher Vereinigung.

Sollte Ihr Kind nach dem Praxiswechsel unzufrieden sein, können Sie gemeinsam überlegen, woran es liegt. Manchmal muss man sich und dem neuen Arzt einfach ein bisschen Zeit geben. Wenn die Chemie allerdings gar nicht stimmt, sollte sich Ihr Kind nach einer Alternative umsehen.

Keine Sorge! Bei Unsicherheiten und wichtigen Entscheidungen werden Eltern bis zum 18. Geburtstag einbezogen. Aber auch darüber hinaus bleiben Eltern meist noch lange die wichtigsten Ansprechpartner bei Gesundheitsfragen.

Besprechen Sie mit Ihrem Kind, wie es in der neuen Praxis laufen soll: Möchte der Jugendliche es alleine versuchen oder wünscht er sich beim ersten Besuch Unterstützung? Bis ins Behandlungszimmer oder vielleicht nur bis in den Wartebereich?

Die Wünsche Ihres Kindes sind ausschlaggebend. Auch dabei, was er bzw. sie hinterher vom Arztbesuch erzählen will. Seien Sie nicht beunruhigt, wenn Ihr Kind wenig berichtet. Fassen Sie es als Zeichen auf, dass er bzw. sie gut mit der Situation zurechtkommt.

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